Shoeshine in Bangkok: Der Dandy unter den Schuhputzern

Aon ist Schuhputz-Spezialist, Schuh-Sammler und ein außergewöhnlicher Anblick in Bangkok. Im Interview erzählt er, warum ihm top gepflegte Schuhe so wichtig sind und warum er Collonil-Fan ist.

Aon fällt auf, zwischen unzähligen kleinen Garküchen, die die Straßen säumen, zwischen Marktständen mit meterhoch gestapelten Kleidungsstücken, inmitten des Hupkonzerts der Tuk-Tuks und Autos auf den verstopften Straßen und unter den mehr als acht Millionen Einwohnern von Bangkok. Während seine Landsleute bestenfalls funktionale Sneakers, einfache T-Shirts und Jeans, schlimmstenfalls paillettenbesetzte Hello Kitty-Ohren tragen, besticht er durch klassische Eleganz.

Mit seinem Stil verrät der Shoeshine-Spezialist sofort, dass er anders ist: Er scheint aus einer anderen Epoche entsprungen zu sein. Statt auf gefälschte Markenklamotten, schrille Comic-Aufdrucke und ausgelatschte Turnschuhe setzt Aon auf Qualität und Liebe zum Detail. Und das nicht nur bei der Wahl seiner Kleidung. Er geht den Dingen auf den Grund, anstatt nur an ihrer Oberfläche zu kratzen, das merkt man, wenn er über seine Leidenschaft für Schuhe spricht genauso wie bei seinen Geschichten zur thailändischen Küche.

Das Streben nach dem perfekten Shoeshine

Der 27-Jährige sucht nach Langzeitbeziehungen mit den Menschen und Dingen, die ihn umgeben und möchte „Sachen richtig machen.” Deshalb sucht er auch in seiner Freizeit in jeder freien Minute Schätze und Raritäten in Vintage-Läden und auf Flohmärkten, die er akribisch restauriert und pflegt, von Lederschuhen und Taschen bis hin zu Kameras und Schreibmaschinen. Neben vielen anderen Projekten und Leidenschaften wie seinem Pfeifen-Club oder seiner Band, in der er Schlagzeug spielt, hat es sich der moderne Dandy – wie er sich selbst nennt – zur Aufgabe gemacht, die Fußkleider in Thailands Hauptstadt auf Hochglanz zu polieren. Das mache nämlich sonst keiner wirklich professionell.

Der Mann hinter dem Vulture Shoeshine Shop in Bangkok besucht seine Kunden zu Hause. In seiner braunen Kalbsledertasche versteckt sich eine auserlesene Sammlung an Wachsen, Reinigern und Schuhcremes in den unterschiedlichsten Farbnuancen. Auf einen bestimmten Hersteller will er sich nicht festlegen, er sucht sich das Beste von allen aus. Bei Collonil kommt er kurz ins Schwärmen. „Vor allem das große Farbsortiment der Schuhcremes ist Weltklasse”, sagt er. Seine Kunden seien „Schuh-Snobs“, so wie er selbst, deshalb unterhalte er sich mit ihnen auch ausschließlich über Schuhe. „Unsere Leidenschaft für Schuhe verbindet uns; mittlerweile sind wir deswegen eher Freunde als Kunden. Wir tauschen unser Wissen aus und geben uns Tipps für die perfekte Schuhpolitur“, erzählt Aon, der eigentlich Prote Sakuntalak heißt.

Last Stop Bangkok: Shoes Are Shining Again

„Inder kaufen immer wieder die gleichen Schuhe nach“

Es sind vor allem Geschäftsmänner aus dem Ausland, die oft riesige Sammlungen an hochwertigen Lederschuhen besitzen. Da kommt er schon mal ins Schwärmen. Er selbst nennt 25 schicke Lederschuhe sein eigen, die meisten davon sind Loafer und Oxford-Schuhe. Sein Lieblingspaar hat er in einem Second-Hand-Laden gefunden und es ist „Made in Germany“. Den Herstellernamen könne er aber nicht mehr entziffern, da das Innenfutter schon so abgenutzt sei.

Gibt es einen Unterschied, wie die Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen mit ihren Schuhen umgehen? „Ja, definitiv!“, platzt es aus Aon heraus. „Meine Kunden aus Indien beispielsweise tragen tagtäglich die gleichen Schuhe und haben insgesamt nur wenige im Schrank. Dann rufen sie mich mindestens alle zwei Monate verzweifelt an und brauchen meinen Rat und Service. Manche tragen ihre Schuhe einfach ab und kaufen immer wieder die gleichen nach“, erzählt der Schuhliebhaber und verdreht die Augen.

Bangkoks Straßen, die größten Feinde des Schuhs

Die Franzosen seien das genaue Gegenteil davon. Sie haben eine Menge Schuhe im Schrank und wissen sie zu pflegen. Außerdem wechseln sie sie mindestens dreimal pro Woche. „Witzigerweise“, sagt er, „sind die Schuhe der Franzosen immer braun – warum, konnte mir bisher aber noch keiner erklären.“ Die Japaner in Bangkok seien hingegen zu beschäftigt, um sich um ihre Schuhe zu kümmern, deswegen sorge sich Aon auch um viele japanische Fußkleider.

Und seine Landsleute tragen am liebsten Sneakers und schwarze Schuhe, das passe zu allem. „Sie kaufen gutes Schuhwerk für besondere Feierlichkeiten, nicht unbedingt fürs Geschäftsleben“, weiß Aon. Deshalb würden sich die Thais – vor allem die Männer – ihr erstes und meist einziges Paar hochwertige Schuhe im Leben für die eigene Hochzeit zulegen. Denn gute Lederschuhe seien für die meisten teurer Luxus und auf den hitzigen, holprigen und staubigen Straßen Bangkoks sowieso eher unpraktisch.

Zeig‘ mir deine Schuhe und ich sage dir…

Er rät ihnen deshalb dazu, statt der üblichen 10.000 Baht (etwa 270 Euro) rund das Doppelte auszugeben, damit sie ihre Schmuckstücke der Tradition nach noch an die Kinder und Enkelkinder weitergeben können. Im täglichen Gebrauch rät er zu einer Gummischuhsohle in Bangkok und zu Schuhspannern statt Zeitungspapier. Für den perfekten Shoeshine nutzt er Wachs und Schuhcremes in verschiedenen Nuancen, „am Anfang ein bisschen heller, danach dunkler“, sagt er, „auch, wenn sich die Farbe dabei mit der Zeit leicht verändert.“

Die Schuhe regelmäßig feucht und geschmeidig zu machen, trage dazu bei, dass sie lange leben, das sei wie bei der menschlichen Haut. Und außerdem: „Schau dir die Schuhe eines Mannes an und du weißt, wie er seine Frau behandelt“, lacht Aon, der eben nicht nur Schuhputzer ist, sondern ein moderner Dandy und echter Gentleman, der unserer schnelllebigen Zeit mit Stil und stoischem Tiefgang trotzt.

Hat Aons Schuhputz-Leidenschaft Sie inspiriert? In unserem monatlichen Newsletter finden Sie Tipps, mit denen Sie elegante und sportliche Schuhe sauber halten und pflegen.

Kristina Machalke

Titelbilder: © Vulture Shoeshine Shop